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Stimmtraining: Gut gesprochen Klartext reden

Mit der Stimme ist es wie mit einem Muskel: Sie kann trainiert werden. Ulrike Fricke ist Stimmtrainerin, systemischer Coach und Autorin. Ein Gespräch über Stimmtraining und Online Formate.

Ulrike, Du bist unglaublich vielschichtig und vielseitig qualifiziert: Du bist Logopädin, hast Sprecherziehung studiert und eine systemische Coaching-Ausbildung gemacht. Wie hängt das alles zusammen?

Das stimmt, ich gucke aus ganz unterschiedlichen Ebenen auf ein Stimmtraining: Als Logopädin habe ich therapeutisch mit Menschen gearbeitet, beispielsweise an ihrer Stimme oder ihrer Aussprache. Die Sprecherziehung klingt sehr sperrig. Daher nutze ich lieber die Bezeichnung Stimm- und Sprechtrainerin. Es geht dabei um Sprechbildung, das ist die praktische Seite der Sprechwissenschaft. Sie verknüpft die mündliche Kommunikation mit der Rhetorik. Im Klartext: klare Aussprache, optimale Haltung, entspannt-aktive Atmung und auch Stimmbildung werden eingesetzt in unterschiedlichsten Sprechkontexten wie Gespräch, Vortrag, Moderation, Präsentation und vielen mehr. Das ist bestens kombinierbar mit meiner logopädischen Arbeit. Das Wissen aus meiner Coaching Ausbildung fließt besonders bei der Art und Weise wie ich Seminare plane mit ein: Inhalte so zu vermitteln, dass die Teilnehmenden  möglichst viel davon haben und die Gruppe als Ressource mit einzubinden.

Kannst Du ein konkretes Beispiel dafür geben, wie das in einem Seminarformat funktioniert?

Das Intensivtraining Stimme hier in der Evangelischen Medienakademie ist ein gutes Beispiel dafür: Da gibt es ganz viele Ähnlichkeiten zu dem, was ich therapeutisch gemacht habe. Das Programm geht über acht Wochen in einer festen Gruppe. Die Einzelperson profitiert während des Trainingsprogramms von den positiven Aspekten eines regelmäßigen Trainings, ähnlich wie bei einem Therapieverlauf: Man bleibt zusammen am Ball, profitiert vom freudvollen Austausch untereinander und arbeitet dennoch ganz individuell an den eigenen Zielen.

Warum können die Teilnehmenden während eines längeren Zeitraums ihre Ziele besser erreichen?

Es geht immer wieder darum, die Entscheidung zu treffen, am Thema dran zu bleiben. Und das Format unterstützt die Teilnehmenden bei dieser Entscheidung. Wir treffen uns wöchentlich für 2,5 Stunden, über acht Wochen. Ich gebe Impulse, wir trainieren zusammen und die in der Zwischenzeit entstandenen Fragen können bearbeitet werden. Bei der maximalen Gruppengrösse von 10 Teilnehmenden kann ich jede Person wahrnehmen und Sie beim individuellen Lernweg begleiten. Und es passiert wahnsinnig viel im Austausch innerhalb der Gruppe. Es haben sich sogar Kleingruppen gebildet, die miteinander trainieren. Und auf unserer gemeinsamen Online-Pinnwand können alle ihre Tipps, Erfahrungen, Texte, Videos mit der Gruppe teilen.

Ich freue mich auch sehr, dass das Programm so wirkungsvoll geworden ist. Wir sprechen gleich noch mehr zu Onlineformaten. Jetzt aber noch einmal zurück zum Thema Stimme. Wie trainiert man seine Stimme?

Unsere Stimme ist unser Werkzeug. Unser eigenes Medium und unser Gestaltungsmittel, um uns mittzuteilen. Deshalb soll unsere Stimme gut funktionieren. Sie soll mühelos  und leicht einsetzbar sein und bestenfalls gut klingen und gerne gehört werden. Beispielsweise können wir den eigenen Stimmklang mit Übungen aktiv gestalten.

Wie machst Du das konkret?

Stimmtraining sollte immer den gesamten Körper miteinbeziehen, die Atmung aktivieren, die beteiligte Muskulatur beweglich machen und die eigentliche Stimme leichtgängig und behutsam zum Klingen bringen. Die passenden Übungen aus dem Fundus herauszusuchen und diese zu koordinieren ist ein individueller Vorgang und muss in einen Tagesablauf und zur Person passen. Ich beginne beispielsweise mein Stimmtraining morgens nach dem Aufwachen und bringe die Stimme beim Gähnen und Räkeln in Gang. Atemübungen sind auch wichtig. Im Badezimmer geht es weiter; beim Zähneputzen gurgeln, Trällern unter der Dusche und später beim Frühstück ordentlich Kauen. Für mich ist wichtig, viele Übungen in den Alltag mit einzubauen. Viel Singen. Am besten auch mit körperlicher Bewegung wie spazieren gehen oder Tanzen.

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Ulrike Fricke

Sprechtrainerin, Coach

bündelt facettenreich die vielfältigen Erfahrungen, die sie in den vergangenen Jahren an unterschiedlichen Institutionen im In- und Ausland gesammelt hat: Logopädie, Sprecherziehung und Coaching.

www.syscommunication.com

Wie hängen Stimm- und Sprechtechnik zusammen?

Stimmtechnik bezieht sich auf den Klang der Stimme. Die Präsenz, die wir mit Stimme erreichen können. Sprechtechnik bezieht sich darauf, ob ein Mensch Laute klar und deutlich ausspricht und sie nicht als Gemurmel wahrgenommen werden. Zu Sprechtechnik zählt auch, dass wir klar kommunizieren können. Das bedeutet, dass wir klar in Worte fassen können, was wir sagen wollen. Stimme gehört natürlich zum Sprechen dazu, und so trainieren wir im sprechtechnischen Übungsteil den eigentlichen Sprechablauf: gute Stimme kombiniert mit passender Gestaltung des Sprechens, zum Beispiel durch Betonung, Pausen und viele andere akustische und visuelle (körperliche) Signale, mit denen unsere Gesprächspartner*innen uns bestens verstehen können.

Durch die Pandemie hat sich die mündliche Kommunikation in den digitalen Raum verlagert. Was hat sich dadurch aus Deiner Sicht verändert?

Wenn wir online kommunizieren, müssen wir sehr viel mehr in Worte fassen, was wir sonst so nebenbei wahrnehmen.  Nonverbale Signale, beispielsweise Blicke austauschen funktionieren in einem digitalen Meeting nicht.  Als Moderator*in muss ich mich fragen, ob ich alle Teilnehmenden gleichermaßen beachte oder wie ich stille Teilnehmende nicht aus dem Blick verliere. Auch ein kurzer Austausch „unter uns“ fällt weg. Breakoutsessions können ein spontanes vertrauliches Gespräch am Kaffeeautomaten nicht ersetzen.

Du und Deine Co-Autorin Christina Pollmann habt im September 2021 das Buch „Gemeinsam online“ publiziert. Es geht darum, wie man digitale Workshops und Meetings aktivierend gestalten kann. Was erwartet mich als Leserin?

Christina Pollmann ist Dozentin für Rhetorik und Encouraging und kommt aus der individualpsychologischen Richtung. Ich bringe meine Perspektive aus der Sprecherziehung ein. Unser Buch durchzieht ein zentraler Leitgedanke: Der Mensch steht im Mittelpunkt und wir fragen uns, wie die Technik uns helfen kann und nicht umgekehrt. Nur weil etwas technisch möglich ist, bedeutet es nicht, dass es auch eingesetzt werden muss. Es lohnt sich, sich Gedanken zu machen, wo Technik sinnvoll ist, wo Ressourcen gespart werden können und für welche Situationen es aber wichtig ist, in Präsenz zu gehen.

„Im Digitalen passiert viel weniger zufällig. Online Veranstaltungen und Gespräche sind anders durchgetaktet.“

Ulrike Fricke

Habt Ihr schon Rückmeldungen bekommen, wer mit Eurem Buch gut arbeitet?

Ja, die haben wir tatsächlich schon bekommen. Besonders von weniger erfahrenen Neueinsteiger*innen haben wir sehr gutes Feedback bekommen. Das wundert mich auch nicht, denn das Buch ist das Ergebnis aus unserem eigenen Lernprozess. Leser*innen, die wie Christina und ich bereits lange im Geschäft sind, betrachten das Buch als gutes Backup und Gelegenheit, das eigene Vorgehen noch einmal zu reflektieren. Und Ideen aufzugreifen.

Welche konkreten Fragen werden mir in Eurem Buch beantwortet?

Was ist anders, wenn wir online sind?
Was können wir vorbereiten, um das rüber zu bringen, was uns wichtig ist?
Wie gehe ich mit Nervosität um? 
Wie kann ich online in den Kontakt treten?
Welche Methoden kann ich einsetzen, damit jede*r zu Wort kommen kann?
Wie komme ich inhaltlich von A-Z?
Was ist bei einer Online Moderation wichtig zu beachten?
Wie kann ich ein Online Meeting abwechslungsreich gestalten?
Und zum Schluss ein Kapitel über mögliche Katastrophen und wie gehen wir damit um?

Das klingt nach einem reichen Wissens- und Erfahrungsschatz, den Ihr in dem Buch teilt. Vielen Dank für das Gespräch und die vielen Hinweise.

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